Wenighösbach im Spiegel der Presse 16./20.02.1920

Beobachter am Main vom 16.02.1920 

Wenighösbach, 14. Februar

Vom 8. bis 12. ds. wurde hier eine Volksmission durch die HH. Oblatenpatres P. Eyerund und P. Staudt abgehalten. Mit Eifer wurden die Missionspredigten besucht und mit Freude schaute die Gemeinde auf die gnadenreichen Tage zurück. – In der Nacht vom 12. Februar wurde der Witwe Eisert von hier ihr Vorrat an Fleisch, Brot und Mehl von auswärtigen Dieben gestohlen. Dies ist umso bedauerlicher, da die gering bemittelte Witwe einen kranken Sohn hat und jetzt auf die Wohltätigkeit der Ortseinwohner angewiesen ist.

Aschaffenburger Zeitung vom 20.02.1920

Wenighösbach, 19. Febr.

Aus französischer Gefangenschaft kehrten in den letzten Tagen die beiden Gebrüder Karl und Gustav Hornung zurück. Diese glückliche Heimkehr ist den Angehörigen der beiden, insbesondere ihrer bejahrten Mutter, von Herzen zu gönnen, die ja nicht mehr glauben wollte, ihre beiden Söhne nochmals in diesem Leben sehen zu dürfen. Sehr erfreulich ist es, daß namentlich der jüngere Bruder trotz der ungeheuren Strapazen seinen goldenen Humor nicht verlor. Die Zahl der Zurückgekehrten beträgt nunmehr 6. Hoffentlich kehren nun auch bald die beiden letzten in die liebe Heimat zurück.

Text: Ferdi Sauer
Edit: Stefan Sauer

Wenighösbach im Spiegel der Presse – 11.02.1919

Beobachter am Main vom 11.02.1919 

Hösbach,

Am Sonntag den 9. Februar fand dahier eine große Protestversammlung statt gegen den Hoffmannschen Schulerlaß. Referenten waren Frl. Hauptlehrerin Fürst von hier und Pfarrer Weidenbörner von Goldbach. Die Versammlungteilnehmer bekundeten einmütig, daß der Religionsunterricht das erste und wichtigste Fach in der Schule bleiben solle und sprachen ihre schärfste Mißbilligung aus über den Versuch des Ministers Hoffmann, die Schule ihres christlichen Charakters zu berauben. 1100 Wahlberechtigte unterzeichneten eine Protestkundgebung.

Beobachter am Main vom 14.2.1919 H N 7 KW 2024

Wenighösbach, 14. Febr.

Wie anderwärts wurde auch hier eine Protestversammlung gegen den Schulerlaß des Kultusministers Hofmann abgehalten. Der christl. Bauernverein, Volksverein, Mütterverein und Jungfrauenkongregation verwahren sich gegen die Herabwürdigung des Religionsunterrichtes. 207 Unterschriften forderten die Zurücknahme der Verordnung, weil sie ein Eingriff in die innerkirchlichen Rechte und gegen die Verfassung ist. Nachdem der Landtag gewählt, hat der Landtag das Wort, nicht ein einzelner Minister kann Verfassungsrecht aufheben.

Anmerkung:

Zu diesem Thema Auszüge aus dem “Historischen Lexikon Bayern”:

“Schulpolitik (Weimarer Republik)”

Regierung Eisner 1918/1919

Nachdem Kurt Eisner (USPD, 1867-1919) am 7./8. November 1918 König Ludwig III. (1845-1921, reg. 1912/1913-1918) für abgesetzt erklärt und die Republik ausgerufen hatte, ernannte er den ehemaligen Pfälzer Volksschullehrer Johannes Hoffmann (SPD, 1867-1930) zum Kultusminister.

(… ) Hoffmanns kompromisslose, auf dem Verordnungsweg rasch durchgesetzte laizistische Schulpolitik traf im stark konfessionell geprägten Bayern auf zahlreiche Gegner. Sein Nachfolger Franz Matt korrigierte die Hoffmannschen Reformen: Er setzte die Rekonfessionalisierung des Schulwesens durch und stärkte den Einfluss der Kirchen auf die Volksschulen.

Text: Ferdi Sauer
Edit: Stefan Sauer

Wenighösbach im Spiegel der Presse – 22.01.1919

Beobachter am Main vom 22.1.1919 

Wenighösbach, 22. Jan.

Bei der Wahl zur deutschen Nationalversammlung fielen auf die Bayer. Volkspartei 186, auf die deutsche, demokratische Volkspartei 11, auf die Sozialdemokratie 7 Stimmen. Wiewohl unser Ort noch 1912 geschlossen Zentrum wählte bis auf 1 Stimme, so ist doch in Anbetracht des Zeitgeistes das Wahlergebnis ein erfreuliches. Rege wurde auch hier die Gegenagitation betrieben, aber die gegnerischen Plakate „Laßt euch nicht am Narrenteil führen“ erregte nur Unwille. Hochachtung muß man den Kriegern zollen, die zwar wegen einer untersagten Tanzunterhaltung etwas verstimmt waren, aber dennoch sich nicht von einer Gegenpartei verleiten ließen. Ebenso ist es anerkennenswert, daß alle vollzählig zur Wahlurne schritten, selbst über 80-jährige Männer und Frauen bis auf die Kranken. Für die Parteikasse der Bayerischen Volkspartei wurden 75 M gegeben. Dank den Vertrauensmännern und Gebern!

Anmerkung: Diese Wahlen fanden in einer Zeit tiefster Verunsicherung statt. Die Niederlage Deutschlands und seiner Verbündeten stand inzwischen fest. Das 1871 neu gegründete Kaiserreich war infolge des verlorenen Krieges und der auch daraus resultierenden “Novemberrevolution” der Matrosen zusammengebrochen, der Kaiser Wilhelm II. nach Holland ins Exil geflohen.

Zitiert aus Wikipedia: 

Die Wahl zur Deutschen Nationalversammlung fand am 19. Januar 1919 statt. Sie war die erste reichsweite Wahl nach der Novemberrevolution von 1918 und hatte die Bildung der verfassunggebenden Weimarer Nationalversammlung zum Ziel.

… “Nachdem die bayerische Organisation des Zentrums bereits während des Kaiserreichs eine Sonderrolle gespielt hatte, gründeten führende Mitglieder des bayerischen Zentrums um Georg Heim im November 1918 in Regensburg die BVP als bayerische Partei des politischen Katholizismus…

… Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die CSU und die Bayernpartei gegründet. Sie sind programmatisch teilweise als Nachfolgeorganisationen der BVP anzusehen…” 

Text: Ferdi Sauer
Edit: Stefan Sauer

Wenighösbach im Spiegel der Presse – 16.01.1919

Beobachter am Main vom 16.1.1919 

Wenighösbach, 15. Jan.

Ein neues Kriegsopfer haben wir zu betrauern. Philipp Staab, der seit Mitte Oktober vermisst wird, wurde von seiner Kompanie als tot gemeldet. Mit diesem wackeren Krieger sind es neun Helden, welche sich für die Heimat geopfert haben; dazu noch vier Vermisste: Gottfried Beck, Jakob Sauer, Adam Bergmann, Heinrich Maidhof. Sechs Krieger sind noch in französischer Gefangenschaft.

Anmerkung:  Mit Philipp Staab forderte der I. Weltkrieg in Wenighösbach sein letztes Opfer, er starb in Frankreich bei der Ortschaft Autruche. Alle in dieser Zeitungsmeldung fälschlich als vermisste bezeichneten Wenighösbacher Kriegsteilnehmer waren bereits 1914 bzw. 1916 als gefalllen erklärt worden. Insgesamt starben 13 Männer aus dem Dorf als Soldaten im Verlauf des Krieges, davon sieben in nur drei Monaten vom 5. September- bis zum 5. Dezember 1914.

Wenighösbach hatte bei Ausbruch des Krieges 378 Einwohner.

Die beschönigende und heuchlerische Sprache des Krieges, damals wie heute : “Wackere Krieger” und “Helden”. Wohl keiner von ihnen hatte die Absicht, sich “für die Heimat zu opfern”, in den Krieg zu ziehen um sein Leben zu verlieren.  

Text: Ferdi Sauer
Edit: Stefan Sauer

Wenighösbach im Spiegel der Presse – 06.01.1914

Beobachter am Main vom 6.1.1914 

Wenighösbach, 4. Jan.

Auf Ansuchen der hiesigen Gemeindeverwaltung wurde durch die königl. Oberpostdirektion Würzburg ab 1. Januar eine öffentliche Posthilfsstelle errichtet. Diese erfreuliche Neuerung brachte neben einer kleinen finanziellen Entlastung des Publikums noch den Hauptvorzug mit sich, daß mit der Eröffnung derselben täglich eine zweimalige Postzustellung eingeführt wurde. Brauchte doch bis jetzt eine im Laufe des Vormittags von Geschäftsleuten der nahen Stadt Aschaffenburg (8 km) aufgegebene Korrespondenz über einen ganzen Tag, bis sie in die Hände der hiesigen Adressanten gelangte.

Anmerkung: Zu den zwischenzeitlichen Fortschritten in den postalischen Verhältnissen mag sich jeder seine eigenen Gedanken machen.

Text: Ferdi Sauer
Edit: Stefan Sauer

Wenighösbach im Spiegel der Presse – 11.01.1910

Beobachter am Main vom 11.1.1910

Wenighösbach, 10. Jan.

Gestern wurde hier ein Kirchenbauverein gegründet, um durch Sammlung von Mitgliederbeiträgen einen Fonds zur Erbauung einer neuen Kirche zu gewinnen. Die große Anzahl der Erschienenen traten mit Freude diesem Verein bei und auch die am Erscheinen verhindert waren, werden diesem Beispiel folgen.

Text: Ferdi Sauer
Edit: Stefan Sauer

Wenighösbach im Spiegel der Presse

Zeitungsberichte aus alten Zeiten.

Nach einer etwas längeren Pause setzen wir nun unsere Serie fort

 Wurden an dieser Stelle bisher vorwiegend Berichte aus dem 19 Jh. veröffentlicht, so liegt jetzt der Schwerpunkt auf der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Dieses wurde von zwei verheerenden Weltkriegen geprägt. Ihre Folgen formten und beeinflussen bis zum heutigen Tag die Welt, in der wir leben. Der Blick zurück ist ein Blick auf eine Welt, die uns heute bereits weitgehend fremd erscheinen mag. Und doch bildet dieser Blick zurück auch eine Klammer zu unserer Gegenwart. 

Aus der Zeit vor und während Ersten Weltkrieges liegen relativ viele Zeitungsartikel vor.  Aus der “Zwischenkriegszeit” der Weimarer Republik blieben dagegen nur wenige Nachrichten erhalten, die das Dorf Wenighösbach betreffen. Ebenso verhält es sich für die Dauer des sogenannten III. Reiches.

Die Jahre vor und nach der Jahrhundertwende des 19. Jh. gelten uns heute als eine Zeit des Optimismus und des Aufbruchs.

Text: Ferdi Sauer
Edit: Stefan Sauer

Wenighösbach im Spiegel der Presse – 11.01.1895

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Aschaffenburger Zeitung vom 11.01.1895

Wenighösbach 9. Jan. Der gestrige Tag war für die hiesige Gemeinde ein Festtag seltenster Art: denn es fand dahier im Schulsaal unter Anwesenheit der hiesigen Gemeinde- und Kirchenverwaltung, der hochw. Geistlichkeit und mehrerer Herren Bürgermeister der Umgegend durch Herrn Regierungsrath und Bezirksamtmann Priester von Aschaffenburg die feierliche Ueberreichung der durch Se. k. Hoh. Prinz-Regenten an unseren Bürgermeister und Landrath Hrn. Andreas Staab gnädigst verliehene Silberne Verdienstmedaille der bayerischen Krone statt, an welchem Festakt die ganze Gemeinde herzlichen Antheil nahm. In kerniger, zu Herzen gehender Ansprache gedachte Hr. Regierungsrath Priester der vielen Verdienste unseres Bürgermeisters und Landraths Staab seit seiner nahezu 35jährigen Amtsthätigkeit in hiesiger Gemeinde und betonte u. a. auch, daß durch seine Mitwirkung der religiöse, sittliche Sinn der Gemeinde gehoben und erhalten worden ist und daß durch seine aufopfernde Thätigkeit als Bürgermeister die hiesige Gemeinde als eine der bestsituirten im Bezirk dasteht. Auch die Verdienst des Dekorirten als langjähriges Mitglied des Distriktrathausschusses, sowie als Landrath des Kreises Unterfranken führte Hr. Regierungsrath den Anwesenden anerkennend und rührend vor Augen. Unter beglückwünschenden Worten heftete Hr. Priester dann dem Jubilar das wohlverdiente Ehrenzeichen an die Brust und schloß mit einem Hoch auf Se. k. Hoh. den Prinz-Regenten.

Sodann wurde von der Schuljugend die Luitpolds-Hymne abgesungen. Hr. Bürgermeister Staab dankte für die Ordensverleihung, die er als unverdient betrachten müßte, da es ihm ja die Pflicht geboten habe, als Bürgermeister, Distriktrathsmitglied und Landrath stets für das Wohl der Gemeinde, des Distrikts und des Kreises einzutreten. Auch die Gemeinde ließ es sich nicht nehmen, den Ehrentag ihres Bürgermeisters besonders zu verherrlichen; Herr Beigeordneter Stenger überreichte dem langjährigen Ortsvorstand für seine vielen Verdienste in der Gemeinde ein Ehrengeschenk in der Form eines prächtigen Lehnsessels, den Hr. Staab gerührt dankend annahm. Zugleich richtete er an die Gemeindeverwaltung die Bitte, man möchte wie seither so auch fernerhin ihm treu zur Seite stehen. Damit war der eigentliche Festakt vorüber. Sodann lud Hr. Staab Hrn. Regierungsrath und die übrigen zu diesem Ehrenakt Erschienenen zu einer geselligen Unterhaltung im Bergmann´schen Gasthaus ein. Dort würzten noch Toaste auf Hrn. Regierungsrath Priester, auf Hrn. Pfarrer von Hösbach, der stets treulich zu dem Jubilar gestanden, auf die Gemeindeverwaltung, die ihn, den Bürgermeister, stets so treulich unterstützt, die fröhliche Unterhaltung und kein Mißton störte dieselbe, bis zu später Stunde erst die eingeladenen Gäste ihr Heim aufsuchten.

Text: Ferdi Sauer
Edit: Stefan Sauer

Wenighösbach im Spiegel der Presse 06.01.1900

Beobachter am Main vom 6.1.1900

Wenighösbach, 4. Jan.

In unserer Gemeinde wurde am Jahresschlusse ein seltenes Fest gefeiert, eine wohlverdiente Ehrung für unseren Bürgermeister und Landrat Staab, welcher, nachdem er volle 39 Jahre als Bürgermeister fungierte, sein Mandat wegen vorgerückten Alters niedergelegt hat. Die Gemeinde-Bürger, 50 an der Zahl, haben ihm aus diesem Anlasse ein Geschenk überreicht und ihm zugleich für seine eifrigen Bemühungen, seine Opferwilligkeit und Gewissenhaftigkeit im Interesse der Gemeinde den herzlichsten Dank kundgegeben. Herr Staab hat, um nur einiges von seinen Verdiensten hervorzuheben, das Münchhofgut für die Gemeinde angekauft, unter seiner Amtsführung wurde das Schulhaus erbaut, das Kaplan-Haus renoviert und die Kaplanei gegründet. Zur Deckung der großen Kosten wurde eine Waldfläche abgeholzt und zu Äckern umgewandelt, deren Verkauf der Gemeinde einen so bedeutenden Erlös brachte, daß die Gemeindeumlagen nicht nur nicht erhöht zu werden brauchten, sondern auch noch herabgesetzt werden konnten. Als Landrat hat Herr Staab 24 Jahre gewirkt und den ärmeren Gemeinden viel in dieser Stellung genützt. Die versammelten Bürger brachten ihm bei der Geschenkübergabe noch ein dreifaches Hoch aus, dann zogen sie mit Musik zum neugewählten Bürgermeister und Beigeordneten, die ebenfalls mit einem Geschenk bedacht wurden. Den Schluß bildete ein fröhliches Zusammensein in der Wirtschaft. Möge der liebe Gott unserem alten Bürgermeister Staab noch viele Jahre bescheren, damit er noch lange seinen Nachfolger mit Rat und That.

Anmerkung:

Der Kauf des Münchhofgutes fand wohl auf Initiative von Bürgermeister Staab, der dem Leser schon an anderem Zusammenhang in dieser Rubrik begegnet ist, statt. Die Formulierung “für die Gemeinde” beschreibt die Tatsache, dass das Gut aus dem Eigentum des Klosters Schmerlenbach an eine Genossenschaft von 50 Grundbesitzern aus Wenighösbach verkauft wurde. Das waren alle Einwohner mit Bürgerrecht, also Besitzer von Haus und Hof und somit damals gewissermaßen die gesamte Gemeinde. Die Zahl der Einwohner betrug um 1900 insgesamt 370 Personen.

Bei der abgeholzten Waldfläche handelte es sich um die Waldabteilung “Untere Häg”, die heute allgemein nur als der “Hirtenberg” bekannt ist. Die Rodung wurde bereits 1890 erstmals beantragt, jedoch erst im Oktober 1893 durch “hohen Regierungsbeschluss” bewilligt. Für die Umwandlung der Waldfläche in Ackerland wurde vom kgl. Forstamt Hain eine achtjährige Kulturperiode fest gesetzt. Die Gemeinde war überdies verpflichtet, den Erlös umgehend “rentierend anzulegen” und darüber zu berichten.
Im Zuge dieser letzten, größeren Rodung von Gemeindewald in Wenighösbach, konnten nach und nach 15,84 ha Wald in Ackerland umgewandelt werden. Das neu geschaffene Ackerland wurde dabei in 100 mehr oder weniger gleich große Parzellen von 17 Ar aufgeteilt und an die Gemeindebürger versteigert. Bis September 1901 hatte die Gemeinde 69 Parzellen verkauft. Die neuen Besitzern waren nach dem Erwerb gehalten:… “die Grundstücke bis zur kommenden Herbstsaat zu bestellen”. Über das Ende der Rodung liegen keine Unterlagen vor, sie dürfte aber wahrscheinlich etwa um das Jahr 1903 abgeschlossen worden sein.

Text: Ferdi Sauer

Wenighösbach im Spiegel der Presse – 16.12.1864

Erklärung

Der in der Aschaffenburger Zeitung Nro. 296 und im Aschaffenburger Intelligenz-Blatte Nro. 199 erwähnte und für die hiesige Gemeinde so unangenehme Vorfall bestand lediglich darin, daß einige von den dort genannten Burschen im trunkenen Zustande sich zu der Neckerei hinreißen ließen, mehrmals „Jöcher“ zu rufen, weswegen sie hierorts auch einen Verweis erhielten, und die Ortsangehörigen von Wenighösbach öffentlich um Entschuldigung bitten lassen.

Daß der ungenannte, aber wohlbekannte Verfasser des betreffenden Artikels darüber in solche Hitze kommen konnte, ist unbegreiflich, da er zu Wenighösbach weder heimathsberechtigt oder geboren, noch daselbst z. Z. ansässig ist, und dieses Wort im hiesigen Wirthshause schon öfter gebrauchte. Gegenwärtiges zur Aufklärung der Sache wahrheitsgetreu nach genauester Erkundigung.

Rottenberg, am 14. Dezember 1864

Die Gemeindeverwaltung

Bergmann, Vorsteher.
Bergmann, Pfleger.
Rosenberger, Staab, Amrhein,  Deputirte.

Anmerkung:

Nach mündlicher Überlieferung lagen sich auf der Winnhäisbicher Kerb, gemäß guter, alter Tradition, Burschen  aus Wenighösbach und aus den Nachbarortschaften wieder einmal in den Haaren.

Der Kampf, ausgetragen beim “Innäwätt” (Unterwirt) dem alten “Gasthaus zum Ochsen”, wogte lange Zeit unentschieden zwischen den Kontrahenten hin und her. Ein Einheimischer gab mit dem Schlachtruf: “Gäit naus, hullt die Jöcher vom Scheirndoor unn schloacht mit druff”, der Schlägerei eine entscheidende und für die auswärtigen Teilnehmer sehr unangenehme Wendung.

Wegen der Schmach der erlittenen Niederlage und erst recht durch den Einsatz der von den Wenighösbachern zweckentfremdeten Zugvorrichtungen für Rinder als Waffen, blieb den Unterlegenen diese “Winnhäisbicher Kerb” noch lange in unschöner Erinnerung. Das hatte wohl zur Folge das man von unterlegener Seite, gewissermaßen als Rache, fortan die Wenighösbacher insgesamt mit der Bezeichnung “Jöcher” zu kränken versuchte. 

Die zeitliche Nähe der Wenighösbacher Kerb, die gut vier Wochen vor diesem “unangenehmen Vorfall” gefeiert wurde könnte durchaus darauf hindeuten, dass auf dieser Kerb des Jahres 1864 vielleicht auch die Bezeichnung “Jöcher”, für die Wenighösbacher schlechthin, geboren wurde.

“Die Zeit heilt alle Wunden”, so sagt man sicher nicht ganz zu Unrecht. Denn, was damals die Presse und die Lokalpolitik beschäftigte und gar zu einer hoch offiziellen Entschuldigung der Gemeinde Rottenberg führte, zählt heute eher zur Kategorie: “Lustige Geschichten aus vergangenen Tagen”.  So verwundert es nicht, dass die Blaskapelle Wenighösbach selbstbewusst den Markennamen

“Die Jochbachtaler” führt. 

Heute werden die Bezeichnungen “Joch” für Wenighösbach oder “Jöcher” für seine Bewohner, wenn sie denn meist schmunzelnd und neckend noch gebraucht werden, von den solcherart titulierten nicht mehr als   “Ounoame” gesehen sondern eher als altbekannter und inzwischen in der Nachbarschaft fast gängiger Zweitnamen ihres Dorfes und seiner Menschen. 

Text: Ferdi Sauer