Wenighösbach im Spiegel der Presse 06.01.1900

Beobachter am Main vom 6.1.1900

Wenighösbach, 4. Jan.

In unserer Gemeinde wurde am Jahresschlusse ein seltenes Fest gefeiert, eine wohlverdiente Ehrung für unseren Bürgermeister und Landrat Staab, welcher, nachdem er volle 39 Jahre als Bürgermeister fungierte, sein Mandat wegen vorgerückten Alters niedergelegt hat. Die Gemeinde-Bürger, 50 an der Zahl, haben ihm aus diesem Anlasse ein Geschenk überreicht und ihm zugleich für seine eifrigen Bemühungen, seine Opferwilligkeit und Gewissenhaftigkeit im Interesse der Gemeinde den herzlichsten Dank kundgegeben. Herr Staab hat, um nur einiges von seinen Verdiensten hervorzuheben, das Münchhofgut für die Gemeinde angekauft, unter seiner Amtsführung wurde das Schulhaus erbaut, das Kaplan-Haus renoviert und die Kaplanei gegründet. Zur Deckung der großen Kosten wurde eine Waldfläche abgeholzt und zu Äckern umgewandelt, deren Verkauf der Gemeinde einen so bedeutenden Erlös brachte, daß die Gemeindeumlagen nicht nur nicht erhöht zu werden brauchten, sondern auch noch herabgesetzt werden konnten. Als Landrat hat Herr Staab 24 Jahre gewirkt und den ärmeren Gemeinden viel in dieser Stellung genützt. Die versammelten Bürger brachten ihm bei der Geschenkübergabe noch ein dreifaches Hoch aus, dann zogen sie mit Musik zum neugewählten Bürgermeister und Beigeordneten, die ebenfalls mit einem Geschenk bedacht wurden. Den Schluß bildete ein fröhliches Zusammensein in der Wirtschaft. Möge der liebe Gott unserem alten Bürgermeister Staab noch viele Jahre bescheren, damit er noch lange seinen Nachfolger mit Rat und That.

Anmerkung:

Der Kauf des Münchhofgutes fand wohl auf Initiative von Bürgermeister Staab, der dem Leser schon an anderem Zusammenhang in dieser Rubrik begegnet ist, statt. Die Formulierung “für die Gemeinde” beschreibt die Tatsache, dass das Gut aus dem Eigentum des Klosters Schmerlenbach an eine Genossenschaft von 50 Grundbesitzern aus Wenighösbach verkauft wurde. Das waren alle Einwohner mit Bürgerrecht, also Besitzer von Haus und Hof und somit damals gewissermaßen die gesamte Gemeinde. Die Zahl der Einwohner betrug um 1900 insgesamt 370 Personen.

Bei der abgeholzten Waldfläche handelte es sich um die Waldabteilung “Untere Häg”, die heute allgemein nur als der “Hirtenberg” bekannt ist. Die Rodung wurde bereits 1890 erstmals beantragt, jedoch erst im Oktober 1893 durch “hohen Regierungsbeschluss” bewilligt. Für die Umwandlung der Waldfläche in Ackerland wurde vom kgl. Forstamt Hain eine achtjährige Kulturperiode fest gesetzt. Die Gemeinde war überdies verpflichtet, den Erlös umgehend “rentierend anzulegen” und darüber zu berichten.
Im Zuge dieser letzten, größeren Rodung von Gemeindewald in Wenighösbach, konnten nach und nach 15,84 ha Wald in Ackerland umgewandelt werden. Das neu geschaffene Ackerland wurde dabei in 100 mehr oder weniger gleich große Parzellen von 17 Ar aufgeteilt und an die Gemeindebürger versteigert. Bis September 1901 hatte die Gemeinde 69 Parzellen verkauft. Die neuen Besitzern waren nach dem Erwerb gehalten:… “die Grundstücke bis zur kommenden Herbstsaat zu bestellen”. Über das Ende der Rodung liegen keine Unterlagen vor, sie dürfte aber wahrscheinlich etwa um das Jahr 1903 abgeschlossen worden sein.

Text: Ferdi Sauer

Wenighösbach im Spiegel der Presse – 16.12.1864

Erklärung

Der in der Aschaffenburger Zeitung Nro. 296 und im Aschaffenburger Intelligenz-Blatte Nro. 199 erwähnte und für die hiesige Gemeinde so unangenehme Vorfall bestand lediglich darin, daß einige von den dort genannten Burschen im trunkenen Zustande sich zu der Neckerei hinreißen ließen, mehrmals „Jöcher“ zu rufen, weswegen sie hierorts auch einen Verweis erhielten, und die Ortsangehörigen von Wenighösbach öffentlich um Entschuldigung bitten lassen.

Daß der ungenannte, aber wohlbekannte Verfasser des betreffenden Artikels darüber in solche Hitze kommen konnte, ist unbegreiflich, da er zu Wenighösbach weder heimathsberechtigt oder geboren, noch daselbst z. Z. ansässig ist, und dieses Wort im hiesigen Wirthshause schon öfter gebrauchte. Gegenwärtiges zur Aufklärung der Sache wahrheitsgetreu nach genauester Erkundigung.

Rottenberg, am 14. Dezember 1864

Die Gemeindeverwaltung

Bergmann, Vorsteher.
Bergmann, Pfleger.
Rosenberger, Staab, Amrhein,  Deputirte.

Anmerkung:

Nach mündlicher Überlieferung lagen sich auf der Winnhäisbicher Kerb, gemäß guter, alter Tradition, Burschen  aus Wenighösbach und aus den Nachbarortschaften wieder einmal in den Haaren.

Der Kampf, ausgetragen beim “Innäwätt” (Unterwirt) dem alten “Gasthaus zum Ochsen”, wogte lange Zeit unentschieden zwischen den Kontrahenten hin und her. Ein Einheimischer gab mit dem Schlachtruf: “Gäit naus, hullt die Jöcher vom Scheirndoor unn schloacht mit druff”, der Schlägerei eine entscheidende und für die auswärtigen Teilnehmer sehr unangenehme Wendung.

Wegen der Schmach der erlittenen Niederlage und erst recht durch den Einsatz der von den Wenighösbachern zweckentfremdeten Zugvorrichtungen für Rinder als Waffen, blieb den Unterlegenen diese “Winnhäisbicher Kerb” noch lange in unschöner Erinnerung. Das hatte wohl zur Folge das man von unterlegener Seite, gewissermaßen als Rache, fortan die Wenighösbacher insgesamt mit der Bezeichnung “Jöcher” zu kränken versuchte. 

Die zeitliche Nähe der Wenighösbacher Kerb, die gut vier Wochen vor diesem “unangenehmen Vorfall” gefeiert wurde könnte durchaus darauf hindeuten, dass auf dieser Kerb des Jahres 1864 vielleicht auch die Bezeichnung “Jöcher”, für die Wenighösbacher schlechthin, geboren wurde.

“Die Zeit heilt alle Wunden”, so sagt man sicher nicht ganz zu Unrecht. Denn, was damals die Presse und die Lokalpolitik beschäftigte und gar zu einer hoch offiziellen Entschuldigung der Gemeinde Rottenberg führte, zählt heute eher zur Kategorie: “Lustige Geschichten aus vergangenen Tagen”.  So verwundert es nicht, dass die Blaskapelle Wenighösbach selbstbewusst den Markennamen

“Die Jochbachtaler” führt. 

Heute werden die Bezeichnungen “Joch” für Wenighösbach oder “Jöcher” für seine Bewohner, wenn sie denn meist schmunzelnd und neckend noch gebraucht werden, von den solcherart titulierten nicht mehr als   “Ounoame” gesehen sondern eher als altbekannter und inzwischen in der Nachbarschaft fast gängiger Zweitnamen ihres Dorfes und seiner Menschen. 

Text: Ferdi Sauer