Wenighösbach im Spiegel der Presse – 27.05.1918

Beobachter am Main vom 27.05.1918 

Wenighösbach, 25. Mai

Aus dem Anwesen von Haus Nr. 4 ist der Kriegsgefangene Russe samt der Dienstmagd Antonia Schäfer aus Rottenberg spurlos verschwunden.

Anmerkung:

Hinter dieser dürren Notiz verbarg sich eine verzweifelte Liebesgeschichte, ein menschliches Drama.

Antonia Schäfer kam aus Rottenberg und arbeitete als Dienstmagd bei Karl Staab Hs.-Nr. 4 (heute Dorfstraße 12). Die beiden flohen am Pfingstmontag, dem 20. Mai im Schutze der Nacht.

Ihre Flucht wurde erst am nächsten Morgen entdeckt. Als Proviant hatte das Pärchen fünf Laib Brot und etwas Fleisch mitgenommen. Nach drei Wochen wurden sie in Arnsberg (Westfalen) von einem Schutzmann aufgegriffen.

Die direkte Strecke von Wenighösbach nach Arnsberg zu Fuß zurückgelegt beträgt ca. 205 km. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass das Liebespaar in Unkenntnis der kürzesten Strecke und aus Angst, entdeckt zu werden, einen weit längeren Weg gelaufen war.

Der damalige Lokalkaplan Kleinschrod schreibt über die Flucht von Antonia Schäfer: … sie wollte wahrscheinlich nach Holland und von da nach Russland ohne Geld.

Nach der Festnahme brachte man Antonia Schäfer zunächst in ein Spital, um ihre wundgelaufenen Füße zu heilen. Damit nicht genug musste sie, als Strafe für ihren Versuch, mit ihrem Geliebten ein neues Leben zu beginnen, für einige Wochen ins Gefängnis. Über das Schicksal ihres Gefährten wurde nichts vermerkt.

Text: Ferdi Sauer
Edit: Stefan Sauer

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