Wenighösbach im Spiegel der Presse – 17.10.1888

Beobachter am Main vom 17.10.1888

Wenighösbach, 15. Okt.

Mit einer Fuhre gebrochenen Obstes nach Frankfurt unterwegs stürzte der Landwirth Andreas Staab II. vorgestern Abend unterhalb Stockstadt und erlitt bei diesem Fall einen linken Armbruch. Herr A. Staab, ein fleißiger und tüchtiger Oekonom von hier, wird deshalb von sämmtlichen Ortsangehörigen bedauert.

Anmerkung:

Wie Andreas Staab II. nach Frankfurt gelangte, geht aus dem kurzen Bericht leider nicht hervor, höchstwahrscheinlich benutzte er ein Pferdefuhrwerk.

Das bedeutete für ihn eine Tagesreise von mindestens 8–10 Stunden Dauer. Dabei bleibt ungewiss, ob Staab irgendwo noch übernachten musste, um sein Tafelobst – dabei handelt es sich um „gebrochene Äpfel“ – evtl. schon frühzeitig selbst verkaufen zu können. Wie und an wen der Verkauf der Äpfel erfolgte, ist jedoch nicht bekannt.

Die Beschwernisse solch einer langen Fahrt auf sich zu nehmen, lässt indes unschwer auf  sehr gute Erlöse aus dem Verkauf der Äpfel schließen. 

Auch wenn Apfelbäume und Streuobstwiesen auch heute noch einen prägenden Bestandteil unserer Landschaft bilden, so hat der Obstanbau in unserer Gegend schon seit vielen Jahren eine eher nur noch geringe wirtschaftliche Bedeutung. 

Ganz anders war dies im 19. Jahrhundert und noch bis in die 1960er Jahre der Fall.

In Wenighösbach, mit damals ca. 650 Einwohnern, gab es etwa bis Ende der 1960er Jahre nicht weniger als sechs Keltereien, in denen die hier geernteten Äpfel vornehmlich zu Apfelwein verwertet wurden. Eher selten verkaufte man frischen Most direkt von der Kelter. Neben der Kelterei E. Bergmann sowie den beiden Gastwirtschaften „Zum Ochsen“ und „Zur frischen Quelle“ wurde in drei weiteren Anwesen die Kelterei als wichtige zusätzliche Einkommensquelle neben der Landwirtschaft betrieben.

Das bedeutete, nach den ohnehin anstrengenden Herbstarbeiten wie z. B. der Kartoffel- und der Rübenernte, am Ende des Tages, zusätzlich zur Versorgung des Viehs, weitere schwere Arbeit bis spät in die Nacht hinein. 

Neben dem Verkauf von Apfelwein gehörte sein privater Konsum zum Alltag. Apfelwein, meistens „gespritzt“, wurde als günstiges und erfrischendes Getränk zu jeder Jahreszeit und zu jeder Gelegenheit getrunken. Besonders im Sommer zur Heu- oder Getreideernte wurde er oft auch auf das Feld mitgenommen.

Von den vielen, meist kleinen Kelterbetrieben in unserer Gegend, hat sich nur die Kelterei Stenger im Gewerbegebiet Hösbach bis in die Gegenwart erhalten. Dieser moderne, relativ große Kelterbetrieb, ursprünglich im Ortsteil Feldkahl beheimatet, ist auch heute noch Anlaufstelle für immer noch bemerkenswert viele fleißige Obstbauern im Nebenerwerb, die dort ihre, in diesem Jahr ungewöhnlich reiche Ernte abliefern können.

Text und Anmerkung: Ferdi Sauer
Satz: Stefan Sauer

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