Wenighösbach im Spiegel der Presse – 01.09.1917

Aschaffenburger Zeitung vom 1.9.1917  

Wenighösbach, 30. Aug.

Gestern verunglückte der Landwirtswitwe Apollonia Freund von hier eine junge Kuh derart, daß sie auf dem Wege einen Apfel verschlang. Da er im Schlunde stecken blieb, drohte sie zu ersticken und mußte deshalb sofort notgeschlachtet werden. Dieser Unfall dient den Landwirten zur Warnung, namentlich jetzt, wo das Fallobst überall auf dem Wege zerstreut umherliegt, die Zugtiere mit Maulkörben zu versehen, um sich vor empfindlichem Schaden zu bewahren.

Anmerkung:

Im Jahr 1917 befanden sich in den 58 Anwesen des Dorfes 175 zuchtfähige weibliche Rinder. Alle Anwesen betrieben Landwirtschaft. 

Je Anwesen wurden zwischen zwei und sechs Zuchttiere gehalten, doch nur vier Bauern hielten mehr als vier Tiere. Die Viehhaltung, dabei insbesondere Kühe, bildete  einen wesentlichen Teil der Existenzgrundlage der Dorfbevölkerung. Kühe lieferten Milch als wichtiges Grundnahrungsmittel, wurden aber damals noch hauptsächlich als Zugtiere in der Landwirtschaft benötigt.

Wert einer jungen Kuh im Jahr 1917 in Unterfranken

Zeitgenössische Quellen belegen, dass eine junge Kuh (z.B. eine tragende Färse oder frisch abgekalbte Erstkalbskuh) im Jahr 1917 mehrere hundert Mark kostete. Aufgrund der Kriegswirtschaft und Inflation lag das Preisniveau deutlich höher als vor dem Ersten Weltkrieg – Viehpreise blieben 1917 auf außergewöhnlich hohem Stand.

Regionale Unterschiede in Unterfranken waren gering – als landwirtschaftlich geprägte Region entsprachen die Preise dort im Wesentlichen den allgemeinen Kriegsmarktpreisen für Vieh. Die genannten Werte stammen aus zeitgenössischen Marktberichten und amtlichen Statistiken jener Jahre und nennen den Preis für eine junge Kuh von ca. 500 Mark.

1917 mitten im Ersten Weltkrieg war die Kaufkraft der Mark jedoch schon deutlich gesunken – daher waren Werte wie Gold, Silber, Immobilien und eben auch Vieh preislich deutlich höher zu bewerten als die aktuelle Währung.

Vergleich zum Arbeiterlohn (1917)

Zeitgenössische Quellen zeigen: Nominallöhne stiegen im Krieg deutlich, aber die Lebenshaltungskosten stiegen schneller. Für Arbeiter lag ein Tageslohn grob im Bereich ~3–6 Mark/Tag. Damit entspricht eine junge Kuh ungefähr:

500 M → ~80 –170 Tageslöhne (je nach Branche und Region)

Bürgerleben

Was konnte man für den Preis einer jungen Kuh kaufen? (Beispiele 1917)

Kartoffeln:
Höchstpreis 55–61 M/Tonne ⇒ 0,055–0,061 M/kg.
500 M ≈ 8,0–9,0 Tonnen

Milch: staatl. Höchstpreis ~0,24–0,25 M/L (1917).
500 M ≈ 2.000 Liter

Brot (Roggenbrot, Einzelhandel): um ~1,5–1,6 M/kg
500 M ≈ 210 kg

Butter: ~6 M/kg (1917, stark schwankend).
500 M ≈ 80 kg

Wöchentlicher Lebensmittel-Warenkorb (4-Pers.-Haushalt): Beispiele Okt/Dez 1917: ~43–69 M/Woche
500 M decken ~7–12 Wochen

Da die meisten Höfe in Wenighösbach Landwirtschaft im Haupterwerb betrieben und die Familien fast ausschließlich Selbstversorger waren, lassen sich die Werte nur schwer direkt mit den Arbeiterlöhnen sowie den Einkaufspreisen bzw. Lebensmittel-Warenkorb vergleichen – sie bieten jedoch einen guten Orientierungspunkt.

Der Verlust einer jungen Kuh bedeutete somit nicht nur einen erheblichen finanziellen Schaden, sondern auch den Verlust eines wichtigen Arbeitstieres. Durch eine Notschlachtung ließ sich immerhin ein Teil des Wertes retten.

Historischer Text: Ferdi Sauer
Anmerkungen: Ferdi und Stefan Sauer
Satz: Stefan Sauer

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