Wenighösbach im Spiegel der Presse – 29.09.1814

Aschaffenburger Zeitung vom 29.9.1814  

Das dem Erzbischöflichen Seminarfonde dahier zugehörige Hofgut (Münchhof) bei Wenighösbach, anderthalb Stunden von Aschaffenburg liegend, wird auf 9 bis 12 Jahre im Ganzen oder Theilweise, und im letzteren Falle die Hofgebäude mit einer angemessenen Zahl Feld und Wiesen als geschlossenes Gütchen, das übrige aber in einzelnen Stücken in Bestand gegeben und die desfalls abzuhaltende Versteigerung in dem Hofhause genannten Gutes auf Verlangen mehrer Liebhaber nicht Mittwoch den 12ten, sondern Mittwoch den 5ten nächstkünftigen Monats Oktober früh um 9 Uhr vorgenommen werden, wozu Liebhaber hiermit eingeladen sind.

Das Gut enthält nebst einem zweistöckigen, im besten Zustande sich befindenden, Wohnhause, Scheuern und Stallungen, an größtentheils vortrefflich kulitivirten gutem Ackerfelde: 154 Morgen 2 Viertel 73 Ruthen 55 Schuh; sodann an meistens süßes Futter sehr reichhaltig liefernden Wiesen: 29 Morgen 2 Viertel 31 Ruthen 28 Schuh in 16schuhigem Nürnberger Ruthenmaaße, und wird übrigens gelegenheitlich obiger Verpachtung eine alte Scheune und ein alter Viehestall zum Abbruch verkäuflich allda angegeben werden.

Aschaffenburg den 25ten Sept. 1814

Erzbischöfl. Seminarfonds-Rezeptur.    Schmitt

Was sagt der obige Text in modernem Deutsch aus:

Objekt: Hofgut „Münchhof“ bei Wenighösbach, gehört dem Erzbischöflichen Seminarfonds.

Verpachtung: Für 9 bis 12 Jahre – entweder komplett oder teilweise.

  • Bei Teilverpachtung: Hofgebäude mit passender Menge an Feldern und Wiesen als geschlossenes Gut, der Rest einzeln verpachtet.

Versteigerung: Termin auf Wunsch mehrerer Interessenten vorverlegt auf Mittwoch, den 5. Oktober 1814, 9 Uhr im Hofhaus des Gutes.

Umfang des Gutes:

  • Zweistöckiges Wohnhaus in gutem Zustand
  • Scheunen und Stallungen
  • Ackerfläche: ca. 154 Morgen (gut kultiviert, fruchtbar)
  • Wiesenfläche: ca. 29 Morgen (ergiebig für Futter)

Zusatz: Eine alte Scheune und ein Viehstall werden separat zum Abbruch verkauft.

Anmerkung:

Der Schätzwert des Münchhofguts wurde damals mit 80.000 Mark angegeben. Die Versteigerung sollte im Hofhaus des Anwesens stattfinden. Diese Nachricht ging wahrscheinlich wie ein Lauffeuer durch das Dorf Wenighösbach. Der Versteigerungstermin verstrich jedoch, wohl wegen des relativ hohen Kaufpreises, erfolglos.

Es sollten noch knapp 84 Jahre ins Land gehen, bis das  Münchhofgut am 5. März 1888 von 50 Wenighösbacher Grundbesitzern für 70 000 Mark vom Seminarfond Aschaffenburg erworben wurde.

Detaillierte weitere Informationen in der Chronik: „Wenighösbach ein Dorf im Wandel der Zeit“ im Beitrag „Der Münchhof zu Wenighösbach“.  

Die oben angegebenen Flächenmaße sind heute vielen aus der jüngeren Generation kaum noch bekannt.

Sie waren jedoch, mit der Ausnahme des Quadratschuh, bis weit über die Mitte des letzten Jahrhunderts hinaus bei den hiesigen Bauern gebräuchlich. 

1 Morgen (a 160 Quadratschuh) = 33,0431 ar. Ein ar beinhaltet 100m2. Eine Quadratruthe (a 256 Quadratschuh) = 21,90198 m2. Ein Quadratschuh = 0,08555m2

Ab der bayerischen Zeit (ab 1814) wurde als Flächenmaß das Tagwerk eingeführt; 3 Tagwerk bilden dabei 1 ha. 

Text: Ferdi Sauer
Anmerkung: Ferdi Sauer / Stefan Sauer
Satz: Stefan Sauer

Wenighösbach im Spiegel der Presse – 01.09.1917

Aschaffenburger Zeitung vom 1.9.1917  

Wenighösbach, 30. Aug.

Gestern verunglückte der Landwirtswitwe Apollonia Freund von hier eine junge Kuh derart, daß sie auf dem Wege einen Apfel verschlang. Da er im Schlunde stecken blieb, drohte sie zu ersticken und mußte deshalb sofort notgeschlachtet werden. Dieser Unfall dient den Landwirten zur Warnung, namentlich jetzt, wo das Fallobst überall auf dem Wege zerstreut umherliegt, die Zugtiere mit Maulkörben zu versehen, um sich vor empfindlichem Schaden zu bewahren.

Anmerkung:

Im Jahr 1917 befanden sich in den 58 Anwesen des Dorfes 175 zuchtfähige weibliche Rinder. Alle Anwesen betrieben Landwirtschaft. 

Je Anwesen wurden zwischen zwei und sechs Zuchttiere gehalten, doch nur vier Bauern hielten mehr als vier Tiere. Die Viehhaltung, dabei insbesondere Kühe, bildete  einen wesentlichen Teil der Existenzgrundlage der Dorfbevölkerung. Kühe lieferten Milch als wichtiges Grundnahrungsmittel, wurden aber damals noch hauptsächlich als Zugtiere in der Landwirtschaft benötigt.

Wert einer jungen Kuh im Jahr 1917 in Unterfranken

Zeitgenössische Quellen belegen, dass eine junge Kuh (z.B. eine tragende Färse oder frisch abgekalbte Erstkalbskuh) im Jahr 1917 mehrere hundert Mark kostete. Aufgrund der Kriegswirtschaft und Inflation lag das Preisniveau deutlich höher als vor dem Ersten Weltkrieg – Viehpreise blieben 1917 auf außergewöhnlich hohem Stand.

Regionale Unterschiede in Unterfranken waren gering – als landwirtschaftlich geprägte Region entsprachen die Preise dort im Wesentlichen den allgemeinen Kriegsmarktpreisen für Vieh. Die genannten Werte stammen aus zeitgenössischen Marktberichten und amtlichen Statistiken jener Jahre und nennen den Preis für eine junge Kuh von ca. 500 Mark.

1917 mitten im Ersten Weltkrieg war die Kaufkraft der Mark jedoch schon deutlich gesunken – daher waren Werte wie Gold, Silber, Immobilien und eben auch Vieh preislich deutlich höher zu bewerten als die aktuelle Währung.

Vergleich zum Arbeiterlohn (1917)

Zeitgenössische Quellen zeigen: Nominallöhne stiegen im Krieg deutlich, aber die Lebenshaltungskosten stiegen schneller. Für Arbeiter lag ein Tageslohn grob im Bereich ~3–6 Mark/Tag. Damit entspricht eine junge Kuh ungefähr:

500 M → ~80 –170 Tageslöhne (je nach Branche und Region)

Bürgerleben

Was konnte man für den Preis einer jungen Kuh kaufen? (Beispiele 1917)

Kartoffeln:
Höchstpreis 55–61 M/Tonne ⇒ 0,055–0,061 M/kg.
500 M ≈ 8,0–9,0 Tonnen

Milch: staatl. Höchstpreis ~0,24–0,25 M/L (1917).
500 M ≈ 2.000 Liter

Brot (Roggenbrot, Einzelhandel): um ~1,5–1,6 M/kg
500 M ≈ 210 kg

Butter: ~6 M/kg (1917, stark schwankend).
500 M ≈ 80 kg

Wöchentlicher Lebensmittel-Warenkorb (4-Pers.-Haushalt): Beispiele Okt/Dez 1917: ~43–69 M/Woche
500 M decken ~7–12 Wochen

Da die meisten Höfe in Wenighösbach Landwirtschaft im Haupterwerb betrieben und die Familien fast ausschließlich Selbstversorger waren, lassen sich die Werte nur schwer direkt mit den Arbeiterlöhnen sowie den Einkaufspreisen bzw. Lebensmittel-Warenkorb vergleichen – sie bieten jedoch einen guten Orientierungspunkt.

Der Verlust einer jungen Kuh bedeutete somit nicht nur einen erheblichen finanziellen Schaden, sondern auch den Verlust eines wichtigen Arbeitstieres. Durch eine Notschlachtung ließ sich immerhin ein Teil des Wertes retten.

Historischer Text: Ferdi Sauer
Anmerkungen: Ferdi und Stefan Sauer
Satz: Stefan Sauer